King Arthur

Dem sagenhaften König Artus kommt in Großbritannien eine ähnliche Bedeutung zu wie in Deutschland dem Kaiser Barbarossa: Eine im Glorienschein der Legende verklärte Lichtgestalt, Symbolfigur für eine mythische bessere Welt und ein vergangenes, goldenes Zeitalter aus Frieden und Gerechtigkeit vor dem Hintergrund des düsteren Zeitalters der Sachsenkriege.

Keira Knightley
Foto: Buena Vista
Für die Literatur war die Artussage stets ein nie versiegender Quell der Ideen, angefangen von Wolfram von Eschenbachs "Parzival" bis zum klebrig-schwülstigen Frauenversteher-Roman "Die Nebel von Avalon" der amerikanischen Fantasy-Autorin Marion Zimmer Bradley. Auch Hollywood zehrte lange an dem Nektar, den die Kraft der Sagengestalt bot, was von klassischen Kostümspektakeln à la Richard Thorpes "Die Ritter der Tafelrunde" über die Monty-Python-Persiflage "Die Ritter der Kokosnuß" bis zum Disney-Zeichentrick "Die Hexe und der Zauberer" reichte. Nachdem John Boorman 1981 mit "Excalibur" ein für alle mal gezeigt hatte, wie man König Artus zu verfilmen hat, versuchte sich anschließend nur noch Jerry Zucker in der reichlich peinlichen Ritter-Schmonzette "First Knight" von 1995 an dem Stoff.

Allen diesen Filmen war gemein, daß sie die Figur Artus so wie auch die zahlreichen literarischen Adaptionen im Kontext des Hochmittelalters darboten, also umgeben von mutigen Rittern, edlen Damen, Minne und Turnieren, ergo vor dem Hintergrund des Zeitalters, in dem Geoffrey von Monmouth seine "Historia Regnum Britanniae" verfasste, in der der Sagenkönig ausführlich Erwähnung fand. Mit dem historischen Artus dürfte diese Ära allerdings nicht das Allergeringste gemein haben. Der lebte nämlich, falls es ihn überhaupt gab, Ende des fünften und Anfang des sechsten Jahrhunderts nach Christus.

Auf diesen historischen Kern der Artus-Sage berufen sich nun Jerry Bruckheimer und Antoine Fuqua: Runter vom efeu- und lorbeerumkränzten Sagen-Sockel und rein ins Kampfgetümmel, lautet das Credo des Blockbuster-Produzenten und des Action-Regisseurs, der nach "Training Day" einen Oscar für seinen Hauptdarsteller Denzel Washington verbuchen konnte. Befreit vom Legendenballast, von Minnegesang, Turniergeklapper und mythischem Brimborium um Merlin, Morgana, Mordred und das magische Schwert Excalibur sollte der entmystifizierte Keltenkönig in "King Arthur" als möglichst physische Kriegergestalt gegen die barbarischen Sachsen zu Felde reiten. Ein anspruchsvolles Unterfangen, welches sich nur dummerweise kaum mit dem quietschbunten Baukastensystem eines Bruckheimer'schen Popcorn-Blockbusters verträgt. "King Arthur" versucht den Spagat, ein naturalistisches Historienspektakel im Stil von Mel Gibsons "Braveheart" mit dem familien- und massenkompatiblen Mainstream-Entertainment von "Fluch der Karibik" in Einklang zu bringen und scheitert auf hohem Niveau.

Drehbuchautor David Franzoni macht aus dem mythischen König von Camelot den römischen Kommandanten eines Elitetrupps gepanzerter sarmatischer Reiter. Dafür erlauben sich Franzoni und Fuqua an anderer Stelle wiederum Freiheiten von geradezu bizarrer Unlogik: So reiten der Film-Artus und seine Sarmaten, eine Art antiker Delta-Force-Einheit für Kommando-Unternehmen in feindlich besetztem Gebiet, um 450 über britische Wiesen. Tatsächlich zogen die letzten römischen Besatzer aber bereits 410 ganz offiziell auf Geheiß des weströmischen Kaisers Honorius von der Insel ab. Um 450 hingegen versank das weströmische Reich bereits, durch germanische Vorstöße der Völkerwanderung tödlich verwundet, nach dem Mord an dem Heermeister Aetius (454 nach Christus), dem "letzten wahren Römer", endgültig im Chaos.

Clive Owen
Foto: Buena Vista
Doch was juckt's - schließlich sucht man in einem Bruckheimer-Films weniger nach einem historischen Seminar denn mehr nach Schauwerten - und die bietet das neueste Werk aus den Laboratorien des Doktor Bruckenstein fürwahr. Hauptdarsteller Clive Owen macht seine Sache als zaudernder, von Selbstzweifeln geplagter und 1340 Jahre vor der französischen Revolution über Liberté, Egalité und Fraternité philosophierender Edelrömer mehr als nur ordentlich, Ioan Gruffudd legt seinen doppelschwertschwingenden Elite-Killer Lancelot als Teenie-Schwarm par excellance an, und damit auch Männerherzen höher schlagen, gibt es das "Bend it like Beckham"-Beauty Keira Kneightley als blau angemalte und extrem knapp geschürzte Urwald-Amazone, die mit ihren Pikten einen Guerilla-Krieg gegen Sachsen und römische Besatzer führt.

Wirklich leid tun kann einem Til Schweiger: Als Cedric-Junior Cynric spielt der Deutsche in tragischer Weise die Rolle seines Lebens: Cynric versagt sowohl als Sohn als auch militärischer Führer der Sachsen im Kampf, wird von seinem Vater ebenso abgelehnt wie von seinen eigenen Leuten und stolpert in der finalen Schlacht am Mount Baddon mitleiderregend orientierungslos durch das blutige Getümmel, als wolle noch nicht einmal jemand mit ihm kämpfen.

Nicht nur mit den martialisch bemalten Pikten und ihrem Vietcong-Kampfstil nimmt "King Arthur" deutliche Anleihen beim Western und beim klassischen japanischen Samurai-Film. Doch auch das Vergnügen der Schlachtszenen, deren finaler Höhepunkt sich deutlich an Gibsons "Brave Heart" und an Emmerichs "Patriot" orientiert, ist nicht ungetrübt, leiden sie doch in Folge der von Disney durchgesetzten Schnitte am Gladiator-Syndrom und wirken trotz fulminanten Gemetzels und hohen Bodycounts allzu anämisch.

Til Schweiger
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Bruckheimers "King Arthur", das ist ungefähr so viel historische und literarische Authentizität wie Wolfgang Petersens "Troja": Wo man die zehnjährige Belagerung einer Stadt mal eben auf zwei Wochen verkürzt und so viele Personen und Handlungsstränge entweder dazuerfindet oder herausschreibt, daß es Gustav Schwab wie die Achse eines hellenischen Streitwagens im Grabe rotieren lassen müßte, da darf man auch die Artus-Legende auf ein paar plakative Versatzstücke eindampfen. Camelot? Wozu das. Tafelrunde? Einmal kurz im Bild, das reicht. Excalibur? Irgendwann wird irgendwo ein Schwert aus der Erde gezogen, das war's. Und das legendäre Techtelmechtel zwischen Lancelot und Guinevere? Für den berühmtesten Ehebruch der mittelalterlichen Sagenwelt müssen hier ein paar sehnsuchtsvolle Blicke reichen, alles andere wäre für ein Popcorn-Movie wohl zu kompliziert.

So bleibt denn von einem prächtig inszenierten und ausstaffierten, allerdings auch völlig unhistorischen Historienspektakel nicht viel wirklich Tiefschürfendes in Erinnerung haften.

Johannes Pietsch