Wer ist Durao Barroso?

Hinter den Kulissen wurde bis zum Schluss gerungen und geschachtert, ehe die Staats- und Regierungschefs zu einer Entscheidung kamen: Nachfolger des Italieners Romano Prodi an der Spitze der EU-Kommission soll der bisherige portugiesische Ministerpräsident José Manuel Durao Barroso werden. Wer ist dieser Mann, den viele Beobachter als Kompromisskandidaten bezeichnen?

Wunschkandidat Deutschlands und Frankreichs war zunächst der belgische Guy Verhofstadt. Dessen Manko allerdings war, dass er als Liberaler nicht dem konservativen Lager zuzuordnen ist. Doch da die christlich-demokratischen Parteien die Europawahl für sich entscheiden konnten, pochten sie nach ihrem Wahlsieg darauf, bei der Besetzung des Stuhl des Kommissionspräsidenten angemessen berücksichtigt zu werden.

Nachdem auch Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Ministerpräsident, den EU-Posten dankend abgelehnt hatte, kam nun etwas überraschend mit Durao Barroso ein Politiker ins Spiel, der bislang auf europäischer Ebene nicht besonders aufgefallen war. Seine Nominierung trägt die Züge einer Verlegenheitslösung - doch das muss kein Nachteil sein, wie die Geschichte beweist: Denn auch Jacques Delors, der bedeutende Kommissionspräsident der 80er Jahre galt nicht unbedingt als europapolitischer Visionär. Delors belehrte seine Kritiker schnell eines besseren.

Ähnliches könnte auch Durao Barroso widerfahren. Der 48-jährige Jurist, der mit 35 Jahren bereits Außenminister seines Landes war, verfügt über genügend politische Erfahrung. Seit zwei Jahren ist Barroso als Ministerpräsident Portugals an ständiges Krisenmanagement gewöhnt. Das wird ihm auf der europäischen Bühne sicherlich zum Vorteil gereichen. "Ich bin ein Reformer, kein Revolutionär, ein Politiker der Mitte", beschrieb er selbst seine politische Linie.

In den nächsten Jahren kommen auf die EU mit der neuen Verfassung und der Bewältigung der Erweiterung große Herausforderungen zu. Durao Barroso kann also auf vielen Feldern beweisen, wozu er fähig ist und ob er die widerstrebenden Interessen der 25 Mitglieder sinnvoll zusammenführen kann. Er wolle ein starker Kommissionspräsident sein, meinte er bei seiner Vorstellung selbstbewusst. Der erste Härtetest für den Vater von drei Kindern wird die Zusammenstellung der künftigen Kommission sein.

Stefan Ewert