|
|||||||||||||||||||
Berliner Platz (01): Das NOCTI VAGUSEin Spruch aus der Bibel, der auch schon für die Werbung benutzt wurde, heißt: Vertrauen ist der Anfang von allem. Das gilt auch und vor allem für Berlins erstes Dunkelrestaurant, das Noctivagus. In der Backfabrik, die vor nicht allzu langer Zeit fertiggestellt wurde, eröffnete das Noctivagus. In einer Weltstadt wie Berlin ein Restaurant zu eröffnen, das es so noch nicht gab, das ist schon was. Das Noctivagus hat es dennoch geschafft. "Mit allen Sinnen genießen", ein weiterer Werbeclaim, steht Pate für das Restaurant, mit der Einschränkung, dass man nichts sieht. Und dieses nichts ist wirklich ein absolutes NICHTS. Nicht mal die Hand vor den Augen erkennt man. Lediglich durchs Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken errät man, was gerade um einen herum passiert.
Hinter einer Schleuse erwartet einen die vollkommene Dunkelheit und eine Kellnerin,
die womglich bildhübsch (oder aber auch nicht) ist, man wird es nie erfahren. Sie
nimmt mich bei der Hand und bringt einen zum Tisch. Dass die Kellner sich so gut
zurechtfinden, liegt zum einen am Training und zum anderen daran, dass viele der
Kellner blind sind, die Dunkelheit für sie nichts Neues darstellt. Ich denke nicht,
dass ich überhaupt am Tisch ankomme, denn vollkommene Dunkelheit umhüllt mich, ich
höre nur die wirren Stimmen der anderen Besucher um mich herum und fühle mich
machtlos wie sonst selten. Am Tisch angekommen erst mal verschnaufen. Warten
darauf, dass man sich an die Dunkelheit gewöhnt und zumindest etwas sieht.
Vergebens. Ganze drei Stunden sehe ich nichts. Absolut gar nichts. Aber mit der
Zeit lerne ich meine anderen Sinne einzusetzen. Ich höre verstärkt
zu, taste wie wild um mich und rieche intensiver. Man findet Alternativen.
Das Essen ist absolut köstlich. Obwohl man es in der beleuchteten Lounge gewählt hat, weiß man später nicht mehr haargenau, was vor einem auf dem Teller liegt. Man schmeckt nur, und es schmeckt gut. Wahrhaftig gut. Abgerundet wird das Essen durch gelegentliches Kulturprogramm: Livemusik oder aber auch Lesungen.
Vertrauen ist der Anfang von allem. Die Kellner sind die absoluten
Vertrauenspersonen im Noctivagus. Sie nehmen einen an die Hand, zeigen den
Weg zur Toilette, beraten einen, wenn Probleme mit der Dunkelheit auftauchen
sollten. Doch auch das Vertrauen unter der Besuchern könnte nach einem Abend
im Noctivagus steigen. Intensiver laufen die Gespräche ab, es bleibt kein
Raum für Oberflächlichkeit. Mit allen Sinnen genießen und die Augen vergessen,
das ist Berlins erstes Dunkelrestaurant.
Sachar Kriwoj Kontakt: |
|
||