The Blue Room
1897 schrieb Arthur Schnitzler sein Stück "Der Reigen", das 1920 bei seiner
Uraufführung eine Skandalwelle auslöste. So offen, so schamlos wurde selten zuvor
Sex und der Umgang mit Sex dargestellt. Regie führte damals Max Reinhardt, der
drei Jahre später die "Komödie am Kürfürstendamm" gründete. Nun gastiert das
Stück in einer modernen Bearbeitung von David Hare als "The Blue Room" in dem
altehrwürdigen Theater im Berliner Westen.
Wie auch bei Schnitzler treffen in "Blue Room" zehmal ein Mann und eine Frau
aufeinander. Es kommt zehnmal zum Geschlechtsverkehr. Die Prostituierte tut
es mit dem Taxifahrer, der verführt das Au-pair-Mädchen, das Au-Pair-Mädchen
verfällt dem Studenten, der hat sich in die Gattin eines ranghohen Politikers
verliebt und so geht das Ganze weiter, bis sich der Kreis wieder bei der
Prostituierten schließt. Zehnmal wird über Sex gesprochen, zehnmal gibt
es ein "Davor" sowie ein "Danach", jedes Mal findet ein Partnertausch statt.
1998 wurde "The Blue Room" im Londoner Donmar Warehouse uraufgeführt. Darsteller
waren Nicole Kidman und Ian Glen. Sie spielten jeweils fünf Rollen. Und dieses
Konzept wird auch in Berlin praktiziert. "Es ist eine große Herausforderung,
mehrere Rollen zu spielen", meint Antje Schmidt, die das Erbe Nicole Kidmans
antritt. Fünf Rollen zu spielen, und jeder innerhalb von zwei Szenen, die nicht
länger als etwa 15 Minuten dauern, einen Charakter zu geben, das ist in der
Tat eine Herausforderung. Eine Herausforderung, der sich auch Hans-Werner
Meyer stellt. Er gehört zu den vielseitigsten Schauspielern seiner Generation
und dürfte vor allem durch Vilsmaiers "Charly & Louise" sowie durch "Marlene"
(ebenfalls Vilsmaier) ein Begriff sein. Ihm gelingt es auch problemlos
in die diversen Rollen zu schlüpfen.
Antje Schmidt, die im aktuellen Film von Costa-Gravas "Der Stellvertreter" eine
Hauptrolle spielt, hingegen hat damit ihre Probleme. Sie schafft es nur selten,
den Figuren eine Seele zu geben. Lediglich in der Rolle der Politikerfrau geht
sie auf und zeigt, über wieviel Talent sie wirklich verfügt. Allerdings ist sie auch
mit einem Handicap belastet. Sie stieß erst später zu der Produktion um Regisseur
Konrad Sabrautzky hinzu, da sie für die eigentlich vorgesehene Jennifer Nietsch
einsprang.
Dem Haus ist es trotz der Schwächen von Antje Schmidt gelungen, eine große
Inszenierung auf die Beine zu stellen, die auch durch ihr schlichtes und gerade
dadurch gelungenes Bühnenbild gewinnt. Nur eins gelingt auch mit "The Blue Room"
nicht: "Mit diesem Stück wollen wir auch ein jüngeres Publikum in die Komödie
locken", definierte Martin Woelffer, Betreiber der Bühne, die Erwartungen.
Jedoch hat sich das Stammpublikum, das man nicht wirklich "jung" nennen kann,
nicht von der modernen, teils herben Sprache und der viel nackten Haut, abschrecken
lassen. Woelffer wird es ertragen können, solange er so gelungene Inszenierungen
präsentiert.
Sachar Kriwoj
Link:
Die Komödie am Kurfürstendamm
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