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Dustin Hoffmann über den Krieg

Am Montag abend fand in Berlin die Gala-Veranstaltung "Cinema for Peace" statt. Filmschaffende hatten sich versammelt, um gemeinsam "Nein" zum drohenden Krieg zu sagen. Besonders beeindruckend war die Rede von Dustin Hoffman, die eigentlich gar nicht geplant war und die der Schauspieler innerhalb von zwanzig Minuten schrieb:

"Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass ich nicht anti-amerikanisch bin, dass ich aber gegen die Politik der gegenwärtigen Regierung bin. Ich glaube, dass es seit dem 11. September leider zu einer Manipulation durch die Medien, die in meinem Land den großen Unternehmen gehören, und durch die Regierung gekommen ist, die das Leid jenes Tages für ihre politischen Ziele instrumentalisieren. Ich bewege mich auf dünnem Eis, weil ich Schauspieler bin und von diesen Dingen weniger weiß, als mir lieb ist. Ich stamme aus den 60ern, der letzte Krieg, den ich bewusst erlebt habe, war der Vietnam-Krieg, und was ich jetzt sage, ist, hoffe ich, nicht nur eine Meinung, sondern schlicht Tatsache.

Der Vietnam-Krieg begann mit einer Lüge: Auslöser war der angebliche Angriff der Nordvietnamesen auf ein Kriegsschiff von uns, das in der Bucht von Tonkin stationiert war. Doch den gab es nie, es war eine Lüge, ein Propagandawerk, um mit dem furchtbaren Krieg anzufangen. Möglicherweise wiederholt sich die Geschichte nun. Und so möchte ich wieder Fragen an meine Regierung richten, als Amerikaner, der nicht anti-amerikanisch ist. Ich stelle diese Fragen, die, wenn ich mich nicht irre, noch nicht beantwortet wurden, obwohl sie immer und immer wieder gestellt wurden. Wenn es keine unmittelbare Bedrohung gibt, warum marschieren wir dann ein? Nord-Korea stellt eine direkte Bedrohung dar, deren Präsident verkündet, er würde uns in kleine Stücke bomben, wenn wir seine Nuklearanlagen angreifen. Trotzdem will meine Regierung lieber mit ihnen verhandeln. Die stellen eine sehr viele größere Bedrohung dar als der Irak, von dem wir sagen, dass er erst in den nächsten zwei oder drei Jahren Atomwaffen besitzen wird. Ich fordere meine Regierung auf, mein Land über unsere Außenpolitik zu unterrichten, von der wir möglicherweise zu wenig wissen.

Ich frage meine Regierung, die Saddam den großen Bösen nennt, der er wohl ist: Warum dann haben wir diesem Mann, als wir ihn in der Auseinandersetzung mit dem Iran gut gebrauchen konnten, warum haben wir ihm in dem selben Jahr, in dem er befahl, 100 000 Kurden durch Giftgas zu töten, fünf Millionen Dollar gegeben? Und warum haben wir das im folgenden Jahr auf eine Milliarde erhöht? Ich will angesichts dieser Fakten von meiner Regierung wissen: Warum war er nicht damals der große Böse?

Ich frage die Regierung meines Landes: Wenn wir angreifen und, wie ich gelesen habe, 30 000 Pfund Bomben in 43 Minuten abwerfen, die die Zivilbevölkerung treffen, wie lange werden wir bleiben? Darauf gibt es keine Antwort. Werden wir Jahre dort bleiben – in einer Zeit, in der es unserer Wirtschaft nicht besonders gut geht? Werden wir das Geld ausgeben, um das Land neu zu strukturieren? Werden wir einen Machthaber installieren? Wir haben keinen besonders guten Ruf, was einige der von uns installierten Herrscher angeht. Pinochet, etwa, in Chile, der Tausende und Tausende in einem Jahrzehnt umgebracht hat. Ihr kennt die anderen. Ich war heute im Jüdischen Museum und bei einem Computer gab es einen Knopf: Drücken Sie hier, wenn Sie der Meinung sind, dass es etwas im deutschen Charakter gibt, das den Holocaust verursacht hat. Ich haben den Knopf nicht gedrückt, weil mir die Frage nicht gefiel. Seit dem „Genozid“ hat eine ganze Zahl an Genoziden stattgefunden: Bosnien, Ruanda – bedeuten 800 000 tote Tutsis Genozid? Abgehackte Hände und Füße? Trotzdem haben wir es zugelassen, aus Angst und Apathie. Seit einiger Zeit erleben wir immer wieder unterschiedliche Formen von Genozid.

Was können wir tun? In meiner Heimat haben wir in den sechziger Jahren einen Präsidenten zum Rücktritt gezwungen, vor allem durch die Studentenproteste. Die Studenten hatten am meisten zu verlieren, sie waren diejenigen, die gestorben sind. Ich habe Söhne, 18 und 21, die kaum glauben können, dass sie die ersten sind, die werden gehen müssen. Mich fasziniert Macht, die Physik der Macht, und die Paranoia der Macht. Das Bedürfnis nach Macht existiert, weil es ein Ersatz für die Seele ist. Der Dichter Carl Sandburg hat das folgende geschrieben – und das betrifft uns alle: ,Im Wachsen nach oben hat die zarte Blume schon manchen Stein zersplittert und zerborsten.’ Gott segne euch alle.“

[b!]

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