brainstorms! dein onlinemagazin.
 bilder     magazin     b!fragt     interaktiv     mail 

 magazin »     unterhaltung  kino+kultur  musik  politik  sport  auto  berliner platz 
   

Alle Neune für Bohlen

"Die Verwandlung" oder "Des Widerspenstigen Zähmung": Dieter Bohlen.

Deutschland suchte den Superstar und fand einen Superonkel: Dieter Bohlen.

Jahrelang erlangte der Produzent und Komponist Dieter Bohlen seine Medienpräsenz durch die musikalische Symbiose mit Thomas Anders und weiteren Frauengeschichten südländischen Typs. Jetzt musste er nur wenige Monate in einer populären Jury Emotionen schüren und schon entflammte sein Image lichterloh und sprühte positivste Funken.

Dieter Bohlen
Foto: das-erste.de
Zwar konnte die Bevölkerung nie wissen, mit wie vielen Zusätzen das Futter angereichert wurde, das Dieter der Presse gab, allerdings wurde der Musiker den Rezepienten stets als selbstgefälliges, arrogantes und frauenverachtendes "Arschloch" vorgekaut. Nicht zuletzt, weil seine ebenfalls in den Medien herumgeisternden Ex-Frauen Verona und Naddel in Interviews nicht nur äußerst abfällig über den Mann redeten, dem sie ihr Promi-Dasein sowie die Moderation der renommierten Sendung "Peep" verdankten: Das Bild des diktatorischen Schlägertyps förderten Veronas mediale Frauentränen und auch Naddel schlug aus der Opferrolle des verlassenen Häschens Profit.

Und nun sollte der böse König der Populärkultur in der Jury für "Deutschland sucht den Superstar" sitzen, wo doch jeder mit nur minimalem Verständnis für Musik seine zwei-akkordigen Songs mit englischen Floskellyrics zutiefst verachtete. Und er bestätigte jegliche negativen Meinungen: Mit verletzenden Umschreibungen ihrer nicht vorhandenen Gesangskünste beleidigte Monster Bohlen verbal die Kandidaten. Doch aus den moralisch ungewohnten und anfangs krassen Obszönitäten begannen die Zuschauer allmählich einen Kick zu bekommen. Schaltete man nicht zuletzt nur wegen der ausgeprägten Selfmade-Metaphorik des Zugpferdjurymitgliedes ein?

Endlich kann er lachen
Foto: spiegel.de
Der Mann, dessen Stimme selbst nicht zum Singen eignet, macht plötzlich deutlich, was er mit "Modern Talking" meint: Blumige und plumpe Wortspiele mit vergleichender bildsprachlicher Treffsicherheit. Gerade aus dieser eher primitiven und spontanen Wortwahl nimmt man ihm Authentizität und Ehrlichkeit ab. Schließlich blieben in der Endrunde mit den zehn Finalisten nur noch die Optik betreffende Nörgler übrig und Dieter erfand die tollkühnsten und ausgefallensten Umschreibungen für uneingeschränkte Anerkennung und Begeisterung. Echte Emotionen reißen mit, und genau das passierte Woche für Woche ein bisschen mehr. Der Blondschopf wurde zum Herbergsvater und auch biedere Seniorinnen stellen sich den sympathischen Workaholic mittlerweile gerne als Schwiegersohn vor.

Ganz neue Töne in den Medien, nur bei Bohlen bleibt alles beim Alten: Er scheint glücklich und ausgeglichen mit seiner Freundin Estefania zu leben, in der er die optimale Erfüllung seines Frauenbildes gefunden zu haben scheint. Und "Modern Talking" ist mit einer neuen unspektakulären aber wahren Single am Start: "TV makes the Superstar". Ein Titel passend zu Herrn Bohlens kürzlich erschienener Bestseller-Biographie. Medienverfälschungen und inszenierte Skandale hin und her: vielleicht sagt da einer wirklich einfach nur "Nichts als die Wahrheit". Auch der härteste Gegner von Dieter Bohlens Person und seiner Musik muss zugeben, dass der Mann sich vermarkten kann - und andere noch dazu.

Mit Neid oder Sympathie muss man ihm anerkennen, dass er in sich ruht und mit seinem Charisma ausdrückt, niemandem mehr etwas beweisen zu müssen. Er genügt sich selbst, seine Musik genügt ihm selbst, wenn sie denn seinen Luxus finanzieren kann. An eigene Kinder scheint er noch nicht gedacht zu haben, sprach sich aber dafür aus, Daniel Küblböck adoptieren zu wollen. Beide spalten die Nation. Und bei all ihrer schlechten Musik sind doch die Personen die Sympathieträger, die die Medien zu ihren Gunsten zu nutzen wissen und sich dabei ins Fäustchen lachen. Schließlich verlängerte RTL Dieters Vertrag für die neue "Deutschland sucht den Superstar" - Staffel, nicht den des Moderatoren-Duos Hunziker / Spengemann. Und Stefan Raab drückte seine Anerkennung sogar mit einem Dieter Bohlen - Schrein aus. Also bleibt nur, auch den Hut zu ziehen und zuzugeben: Alle Neune für Bohlen.

Dorothee Fesel

frisch und neu
kino
musik
sport
politik
kultur
unterhaltung
bits+bytes
nach oben