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Klasse statt Masse? Die Diskussion um Eliteuniversitäten in Deutschland

Neues Jahr, neue Pläne: Auf ihrer Klausurtagung in Weimar hat die SPD die Bildung ins politische Visier genommen. Und zwar die Bildungselite unseres Landes, die künftig nach Meinung von Fraktionschef Franz Müntefering und Generalsekretär Olaf Scholz an bis zu zehn absoluten Spitzenuniversitäten nach US-amerikanischem Vorbild studieren und wissenschaftlich arbeiten soll. Was ist von diesem Vorstoß zu halten, insbesondere angesichts der seit Jahren rückläufigen Mittelzuwendungen für die Hochschulen?

Einen positiven Aspekt hat die SPD-Initiative ganz ohne Zweifel: Die offene und lange Zeit schon überfällige Debatte um Elitebildung – übrigens im doppelten Wortsinne: Nämlich sowohl ihre Herausbildung (Rekrutierung) als auch ihre akademische Ausbildung – ist eröffnet. Das kann den deutschen Universitäten nur nützen, sind sie doch in den letzten Jahren oft nur als Kostenfaktor gesehen worden, den es zu minimieren gilt. Der aktuelle Studentenstreik in Berlin mag als Beispiel für die Folgen solch verfehlter Politik ausreichen. So wie in der Hauptstadt werden die Hochschulzuschüsse in den meisten anderen Bundesländern immer weiter gekürzt und auch der Bund hält sich seinerseits sehr zurück bei zukunftsträchtigen Investitionen in Bildung und Forschung. Insofern ist der Vorschlag der SPD ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich statt weiteren Streichungen im Universitätsbereich endlich ernsthaft über eine Stärkung der akademischen Bildung in Deutschland nachzudenken.

Schließlich ist der einzige Rohstoff der Bundesrepublik das geistige Potential seiner Bürger. Wollen wir unseren bisherigen Lebensstandard halten, brauchen wir auch künftig Innovationen, Erfindungen und Hochleistungsforschung z.B. in der Bio-, der Nano- oder der Gentechnologie. Allerdings: Deutschland hat im Jahr 2003 zum ersten Mal überhaupt mehr Spitzentechnologie aus dem Ausland eingeführt als exportiert. Eine erschreckende Entwicklung, die unterstreicht, wie dringend der Bedarf an einer wirksamen Wissenschaftsförderung hierzulande ist.

Die SPD hat sicher nicht unrecht: Elitehochschulen fehlen in Deutschland bislang. Die Universitäten bieten zwar eine solide Studentenausbildung sowie wissenschaftliche Forschung. In einigen Teilbereichen sind manche Hochschulen sogar sehr gut, doch Weltspitze sind sie nicht. Jahr für Jahr verlassen viele jungen Forscher Deutschland, weil sie vor allem in den USA weitaus bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Diesen "brain-drain" gilt es zu stoppen.

Dass der Müntefering-Scholz-Vorschlag trotz aller genannten Probleme nicht gerade mit Begeisterung in Politik und Wissenschaft aufgenommen wird, hat einen einfachen Grund: Er setzt an der völlig falschen Seite an und offenbart ein falsches, nämlich veraltetes Staatsverständnis. Laut SPD soll Vater Staat wieder einmal dafür sorgen, dass es an den Universitäten aufwärts geht. Durch mehr Geld, mehr Regelungen, mehr Bürokratie, vielleicht sogar durch die Gründung einer eigenen "Bundeshochschule" außerhalb des bestehenden Universitätssystems. Dieser Weg wäre schädlich.

Stattdessen fordern die Hochschulrektorenkonferenz oder auch der Wissenschaftsrat richtigerweise etwas anderes: Nämlich mehr Autonomie für die Hochschulen in allen relevanten Bereichen, beispielsweise bei der internen Schwerpunktsetzung, bei der Berufung von Professoren, bei Auswahl der Studenten und möglicherweise auch bei der Erhebung von Studiengebühren. Mehr eigene Handlungsspielräume statt staatlicher Vorgaben und mehr Wettbewerb zwischen den Universitäten. Auf diese Weise könnten sich – sofern die Hochschulfinanzierung nicht noch weiter reduziert wird – ohne weitere Eingriffe des Bundes bessere und leistungsstärkere Universitäten in Deutschland als bisher herausbilden. Denn: Für Elite im Weltmaßstab werden auch diese Anstrengungen nicht genügen, wie ein kleiner Etatvergleich zeigt: US-amerikanische Spitzenuniversitäten wie Harvard, Stanford oder das MIT haben Jahresbudgets von rund 2,5 Milliarden US-Dollar für je ca. 10.000 Studenten. Dagegen hat die Freie Universität in Berlin für gut 40.000 Studenten gerade einmal 270 Millionen Euro zur Verfügung.

Wie soll eine solch riesige Finanzierungslücke geschlossen werden? Ehe die SPD also von Eliteuniversitäten schwadroniert, sollte sie sich vielleicht ersteinmal in die Untiefen des deutschen Hochschulsystems begeben, das akademische Dienstrecht entrümpeln und sich zudem trauen, den Universitäten mehr Eigenverantwortung zu überlassen. Das wäre dann jedoch eine neue Initiative.

Stefan Ewert

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