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Eine florentinische Tragödie/Der Zwerg

Alexander von Zemlinsky, der Lehrer Arnold Schönbergs und Freund Gustav Mahlers, stand Zeit seines Lebens im Schatten seiner berühmten Kollegen. Als österreichischer Jude musste er 1938 nach Amerika emigrieren, wo er 1942 einsam und vergessen starb. Erst seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts werden seine Werke, neben zahlreichen Opern auch Chor- und Orchesterstücke sowie Kammermusik, als eigene Klangfarbe des beginnenden 20. Jahrhunderts begriffen und häufiger aufgeführt. Die Komische Oper hat sich der beiden Einakter "Eine florentinische Tragödie" und "Der Zwerg" angenommen und sie unter der Regie Andreas Homokis zu einem Opernabend zusammengefasst.

Die "florentinische Tragödie" ist ein psychologisches Eifersuchtskammerspiel, das von der Grundsituation "eine Frau zwischen zwei Männern" ausgeht: Der Stoffhändler Simone, von einer Geschäftsreise kommend, findet zu Hause seine Frau Bianca mit einem Fremden in verdächtiger Vertrautheit. Es handelt sich um Guido, den Prinzen von Florenz. Doch Simone verliert kein Wort über die Untreue seiner Frau, springt dem Nebenbuhler nicht an die Gurgel, im Gegenteil: Er umschmeichelt den Prinzen und versucht, ihm Stoffe zu verkaufen. Gleichwohl schwingen in Zemlinskys Musik stets unterschwellig die Rachegelüste und der Hass des gehörnten Ehemannes als bedrohliche Grundstimmung mit, die das böse Ende antizipiert.

Andreas Homoki lässt in seiner an Zwischentönen reichen Interpretation viel Raum für Assoziationen und Deutungen. Auf der schlichten, nur mit einer Wand von großen Pappschachteln gestalteten Bühne (Ausstattung: Wolfgang Gussmann) scheint es einmal, als versuchten sich die Figuren gegenseitig hochzuschaukeln, zu provozieren, es geradezu auf den katastrophischen Ausgang anzulegen, dann wieder schachern Simone und Guido, offenbar im schönsten Einverständnis, um Bianca, die als Frau nur Objekt der Männer ist. Andreas Conrad als Guido, James Johnson als Simone und Christiane Oertel als Bianca arbeiten mit überzeugenden sängerischen wie schauspielerischen Leistungen dafür, die in Libretto und Musik angelegte Vielschichtigkeit der Figuren heraus.

Das Orchester der Komischen Oper unter Kimbo Ishii-Eto ist gut aufgelegt in der 11. Vorstellung des Zemlinsky-Abends, geradezu fetzig schmettert dessen Musik, die oft als filmmusik- oder musicalartig beschrieben wird, aus dem Graben. Leider gehen dadurch gelegentlich psychologische Feinheiten verloren. Die unterschwellige Bedrohlichkeit, die vorallem in der Florentinischen Tragödie stets mitschwingt, tritt zurück zugunsten einer recht handfesten Interpretation, die die expressionistischen, oft für heutige Ohren allzu pathetischen Elemente der Musik betont, die Solisten zu großer Kraftentfaltung nötigt und die Textverständlichkeit sehr einschränkt - ein großer Verlust für das Verständnis der Handlung und auch der Musik, die sehr eng am Text und an den Figuren ansetzt.

Den zweiten Teil des Abends, das tragische Märchen für Musik "Der Zwerg", inszeniert Andreas Homoki vor der Kulisse eines Kinderparadieses. Aus einer einzigen großen Schachtel - die bildmotivische Verbindung zur "Florentinischen Tragödie" - schaffen die Bediensteten der Infantin zu deren Geburtstag riesige Bauklötze, Buntstiffte, Kreisel und ein gigantisches Holzpferd herbei; wunderschöne Kulissen, die aber ein bisschen zu oft auf der Bühne hin- und hergeräumt werden, gleichsam um sie dem Publikum von allen Seiten zu präsentieren. Das schönste Geschenk ist das scheußlichste, kündigt der Haushofmeister (herrliche parodistisch: Carsten Sabrowski) an, es handelt sich um einen verwachsenen Zwerg, der sich selbst für einen Ritter, Prinzen und wunderschönen Jüngling hält - er hat sich noch nie im Spiegel gesehen.

In Homokis riesenhaftem Spielzeugladen sind alle Puppen; die Bediensteten, die Infantin (Maria Bengtsson als freundlich-gedankenloses Kind) und die Horde ihrer Gespielinnen trappeln herum wie Comicfiguren. Folgerichtig ist der Zwerg (überzeugend: Jürgen Müller) ein drolliger Clown in einer Kiste, ein Spielzeug, das aber dummerweise eine Seele hat und sich unsterblich in die Infantin verliebt. Trotz des erfrischend parodistischen Zugriffs der Regie werden die Figuren nicht lächerlich gemacht, im Gegenteil, gelingt es doch durch Leichtigkeit und Witz auf der einen und der Darstellung des Leidens des Zwerges auf der anderen Seite den zugrunde liegenden Konflikt zu verdeutlichen.

Dennoch sind die Figuren nicht schwarz-weiß gezeichnet, dennoch repräsentiert weder der Zwerg, der sich selbst über sein Äußeres zu täuschen versucht, das absolut Edle und Gute, noch werden die Prinzessin und ihr Gefolge verdammt. Sie empfindet durchaus Mitleid mit dem Spielobjekt, dem an gebrochenem Herzen gestorbenen Zwerg, mehr jedoch kann sie nicht geben, und so resümiert sie nach kurzer Betrübnis leichthin: "Schade um das Spielzeug. Geschenkt und schon verdorben (...) Gut, ich tanze weiter!" Die schlüssige, hochaktuelle Inszenierung zeigt die Zerstörung einer Persönlichkeit - nicht aus Bosheit, sondern aus Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit - bis zum physischen Tod in einer Spaßgesellschaft, in der Äußerlichkeiten im Vordergrund stehen.

Nora Mansmann

Link:
Komische Oper Berlin

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