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»Ich glaube, dass Besitztum einen ersticken kann«

Heike Makatsch ist mit einem neuen Film zurück. In "Nackt", dem neuen Film von Erfolgsregisseurin Doris Dörrie, spielt sie Emilia, eine enttäuschte, verlassene, materiell heruntergekommene Frau. In "Nackt" treffen Jürgen Vogel, Benno Führmann, Alexandra-Maria Lara, Nina Hoss, Mehmet Kurtulus und eben Heike Makatsch aufeinander. Großes deutsches Kino. b!rainstorms traf Heike Makatsch zum Interview.

b!rainstorms: Hätte Sie eine andere der Frauenrollen in "Nackt" gereizt?

Heike Makatsch: Doris Dörrie ist sich so sicher, was sie will, dass es weder ein Casting noch Voraufnahmen gab. Das ist sehr unüblich, aber sehr erfrischend. Sie hat mir die Rolle der Emilia direkt angeboten. Eigentlich sind ja auch Regisseure unsicher und wollen erst mal sehen, ob das Paar atmosphärisch zusammenpasst. Das war in diesem Fall ganz anders. Sicherlich, die Rolle der Charlotte, die ja von Nina Hoss gespielt wird, hätte mich auch gereizt. Aber ich bin sehr glücklich mit der Emilia.

b!rainstorms: Sie haben sich auf die Rolle vorbereitet, indem Sie Dinge, die zu Emilia passen würden, in einen Schuhkarton getan haben. Macht man das öfter?

Heike Makatsch: Es ist schon so, dass ich sage, dass Doris eine besondere Regisseurin ist. Sie geht wirklich anders an die Sache ran und bittet ihre Schauspieler auch, die Rollen zu entwickeln. So etwas wie mit dem Schuhkarton habe ich vorher noch nicht gemacht. Das hat mich auch eher an die Schule und die Theateraufführungen erinnert. Die Sachen, die ich da reingetan habe, haben etwas damit zu tun, wie ich mir Emilia vorstelle.

b!rainstorms: War es ungewöhnlich, den Film chronologisch zu drehen?

Heike Makatsch: Es war angenehm. Ich habe ja noch nie Theater gespielt, aber manchmal habe ich gedacht, als ich mir das Drehbuch durchlas und wir auch diese langen Szenen gedreht haben, dass dieser Film der Theaterarbeit sehr nahe kommt. Man konnte manchmal eine Szene zehn Minuten lang am Stück spielen, es war nicht die sonst übliche Film-Schnipsel-Arbeit. Die chronologische Arbeit vermittelte einem das Gefühl, dass man die emotionale Kurve der Figur miterlebt.

b!rainstorms: War es schwierig, sich auf die langen Szenen vorzubereiten?

Heike Makatsch: Naja, man musste natürlich mehr Text lernen. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass das viel einfacher ist, als auf den Punkt genau die und die Stimmung zu spielen. Dieses Miteinanderspielen hat einem sehr dabei geholfen, die Emotionen zu finden, die auch gefordert wurden.

b!rainstorms: Ein Theaterengagement ist aber für die Zukunft nicht konkret geplant?

Heike Makatsch: Nein.

b!rainstorms: Waren Sie froh, dass Sie als einzige Frau nicht nackt sein mussten?

Heike Makatsch: Ja, schon, aber ich denke, dass ich es auch gemacht hätte, wenn es die Rolle erfordert hätte. Ich denke, ich kann auch für die anderen, die nackt gespielt haben, sprechen: Sie konnten verstehen, dass sie es tun mussten, aber so richtig begeistert war keiner.

b!rainstorms: Kann dieser Film, der so viel Wahres über Beziehungen an die Oberfläche spült, für Paare schädlich sein?

Heike Makatsch: Also, ich habe schon von Männern gehört, dass nach dem Film die Diskussion aus dem Film weitergeht. Aber ich denke, dass es gut ist, sich diesen Film als Paar anzuschauen, weil er einem helfen kann. Man fühlt sich danach nicht mehr alleine, sieht, dass andere Paare eventuell die gleichen Probleme haben wie man selbst. Ich denke, dass, wenn beide Partner offen in den Film gehen, der Film zu guten Gesprächen führen kann.

b!rainstorms: In "Nackt" geht es vor allem auch um Freundschaft. Kann Geld Freundschaften zerstören?

Heike Makatsch: Ich glaube, dass Besitztum einen ersticken kann. Ich kann mir vorstellen, dass Besitz und das fortwährende Streben nach Besitz einen absterben lassen kann. Ich finde es gut, dass Doris die Geschichte nicht nur um die Liebe hat kreisen lassen, sondern auch die Frage des materiellen Besitzes thematisiert hat. Emilia, die ja wirklich fast am Existenzminimum lebt, ist wahrscheinlich die freieste aller Protagonisten.

b!rainstorms: Eine weitere Kernfrage des Films ist: Sind wir alle austauschbar? Ist das auch ein Topos, den Sie von sich selbst kennen?

Heike Makatsch: Ich beschäftige mich schon damit. Zum Beispiel merke ich seit ein paar Jahren schon, dass ich mich fürchte, spießig zu werden. Dann denke ich: Bin ich so geworden, wie ich noch vor ein paar Jahren werden wollte, oder bin ich jemand anderes? Dann kriegt man natürlich Angst, dass man bürgerlich, spießig und wie seine Eltern wird, obwohl man ein eigener Charakter werden wollte. Ich bin gerade in eine Wohnung gezogen, die eigentlich nicht groß ist. Bisher wohnte ich aber in einer kleinen Wohnung, da fragt man sich schon: So weit ist es mit Dir gekommen?

b!rainstorms: Die Personen im Film wollen individuell sein. Daraus entwickelt sich bei allen Charakteren eine Angst. Kommt Ihnen dieses Gefühl vertraut vor?

Heike Makatsch: Also, ich finde, die Charaktere bleiben trotz oder wegen dieser Angst noch immer glaubhaft. Diese Angst des Einzigartigsein, das ist ja nur eine von vielen philosophischen Fragen des Films, das ist schon ein schwieriges Thema. Charlotte zum Beispiel weiß überhaupt nicht mehr, wo ihre Identität liegt. Ihr ganzes Sein ist von Zweifeln umgeben, weil sie und ihre Lebensumstände sich total verändert haben.

b!rainstorms: Eine Frage taucht im Film immer wieder auf. "Wann warst Du das letzte Mal glücklich?" – wann waren Sie das letzte Mal glücklich?

Heike Makatsch: Ich bin oft glücklich und dann auch nah an unglücklich. Das schwankt bei mir, aber prinzipiell würde ich sagen, dass ich ein glücklicher Mensch bin. Meine Mutter hat mich vor kurzem in London besucht. Sie war das erste Mal in meiner neuen Wohnung, wir waren in mehreren Ausstellungen, haben abends zusammen gekocht und hatten eine sehr schöne Zeit. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

b!rainstorms: Würden Sie gerne mehr internationale Filme wie zum Beispiel Franka Potente drehen?

Heike Makatsch: Nicht in der Größenordnung. Das sind so theoretische Fragen, das steht ja nicht an. Da müssten ein paar Sachen zusammenkommen, die bisher so nicht zusammenkamen. Ich finde den europäischen Film sehr interessant und würde gerne mehr in England arbeiten. Dazu bin ich auch bereit, aber es passiert trotzdem nicht viel.

Sachar Kriwoj

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