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Leo Rosten: Jiddisch

Lange hat es gedauert, nun endlich erscheint Leo Rostens "Joy of Yiddisch" in deutscher Sprache und nennt sich "Jiddisch – Eine kleine Enzyklopädie". Ein Muss – nicht nur für Juden.

Die deutsche Sprache gilt nicht unbedingt als schön. Anders als italienisch ist sie nicht temperamentvoll, anders als französisch nicht erotisch und anders als englisch ist sie nicht global genug. Dabei gibt es eine Sprache, die der deutschen mehr ähnelt als sonst eine weltweit, die sprüht nur vor Witz, Intellekt und Traurigkeit zugleich, eine Sprache, deren Klang fast vollständig aus der deutschen Gesellschaft verschwunden ist, die aber durch "Jiddisch – Eine Kleine Enzyklopädie" eine Wiedergeburt erleben könnte. Leo Rosten, Sohn jüdischer Einwanderer in die USA, veröffentlichte 1968 die Erstausgabe. Seitdem wurde das Werk, das im Original "The Joys of Yiddish" heißt und den Kern besser trifft als die deutsche Übersetzung (denn das Jiddische an sich und vor allem dieses Werk ist wirklich Genuss), in mehrere Sprachen übersetzt und erreichte allein in den USA mehr als 30 Auflagen.

Leo Rosten
Foto: goodbyemag.com
Lutz Wolff und der Deutsche Taschenbuch Verlag haben sich nun aufgemacht, auch die Deutschen mit diesem großartigen Schatz zu beglücken. Dabei war es ein glücklicher Zufall, wie Wolff, der Rosten ins Deutsche übersetzte, überhaupt ans Jiddische kam. In New York befand er sich mit einer Bekannten in einem Coffee Shop, wie sie auch bei uns inzwischen wie Pilze aus dem Boden schießen und verspürte noch ein leichtes Hungergefühl. Daher wollte er sich einen Bagel bestellen, sprach diesen allerdings nicht [Bejgel], sondern [Bedschel] aus, woraufhin er den Spott seiner Bekannten erntete. Das Gebäck heißt [Bejgel], was Wollf allerdings nicht verstand, es hieße doch auch [Rejdsch], wieso soll es dann nicht [Bedschel] heißen. Wolffs Bekannte wußte auf diese Frage keine konkrete Antwort, ging aber in den nächsten Buchladen und kaufte ihm Rostens "Joys of Yiddish."

Jiddisch ist eine Sprache ohne Heimat. Es entwickelte sich im Mittelalter unter den aschkenasischen, den europäischen, Juden. Der Begriff des "Jiddischen" kommt allerdings aus Amerika, wo er sich unter den Flüchtlingen des Holocaust entwickelte. Das Jiddische ist eine der wenigen Sprachen weltweit, die kein Land besitzen, denn in Israel ist das Hebräische Amtssprache. Seine Blütezeit hatte es im 17. und 18. Jahrhundert. Das Jiddische ist keine eigenständige Sprache, oder wie Rosten schreibt, es ist der Robin Hood der Sprachen. Es bedient sich bei den Reichen und gibt den Armen. Viele Begriffe kommen aus dem Deutschen, dem Slawischen oder aber auch dem Hebräischen. Ob das aber wirklich so stimmt, kann nicht genau festgestellt werden, denn ebenso kommen viele Wörter im Deutschen aus dem Jiddischen, so dass man oft nicht genau weiß, wo genau sie ihren Ursprung haben.

Rostens Buch und Wolffs großartige Übersetzung ist ein Fundort für jüdische Kultur, jüdischen Humor und Sentimentalität, denn die Sprache ist auch ein Ergebnis jahrhundertelanger Verfolgung und Demütigung. "Im tiefsten Inneren besteht Jiddisch aus Spott und Sentimentalität. Jiddisch schwärmt für Ironie, denn die einzige Möglichkeit, nicht den Verstand zu verlieren, ist, der Grausamkeit der Welt mit Humor zu begegnen." "Jiddisch – Eine Enzyklopädie" besteht aus Sprichwörtern, Witzen und religiösen Geschichten. Es ist weniger eine Enzyklopädie als vielmehr ein Lesebuch, auch für diejenigen, die sich noch nie mit "Jüdischkeit", der jüdischen Kultur auseinandergesetzt haben.

Stellvertretend für so viele lesenswerte Geschichten und Witze. Ein Vater stellt seinem Sohn ein Rätsel:
"Was hängt an der Wand, ist grün und nass – und pfeift?"
Der Sohn überlegt lange, kommt aber zu keinem Ergebnis und gibt entnervt auf.
"Ein Hering", meint der Vater.
"Ein Hering", fragt der Sohn empört und verwundert zugleich. "Ein Hering hängt doch nicht an der Wand."
"Dann musst Du ihn eben da hinhängen", meint der Vater.
"Ja, aber er ist doch nicht grün", entgegnet der Sohn.
"Dann musst Du ihn eben grün anmalen."
"Und nass ist er auch nicht."
"Wenn er frisch gestrichen ist schon."
"Aber", und da wurde der Sohn sehr wütend, als er das aussprach, "auf keinen Fall pfeift er".
Da erwidert der Vater: "Nein, da hast Du recht. Pfeifen tut er nicht, aber ich wollte es Dir ja nicht zu einfach machen."

Sachar Kriwoj

Links:
Der Deutsche Taschenbuch Verlag online
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