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Nachtasyl

Der Raum ist kalt und grau, die Kacheln an der Rückwand erinnern an ein Bad und dann wieder nicht – ein klinischer Ort; in einer Reihe schräg nach vorne links stehen schlanke Stelen unterscheidlicher Größe – symbolistische Betten für die Bewohner des Nachtasyls aus dem gleichnamigen Drama Maxim Gorkis, inszeniert von Alexander Lang am Berliner Gorki Theater.

Wilde Verzweiflung und Apathie treffen bei den Nachtasylanten aufeinander.
Foto: Maxim Gorki Theater
Eine seltsame Schar von Ausgestoßenen hat sich zusammengefunden im Nachtasyl, und in dem grauen Kunstraum (Ausstattung: Peter Schubert) wird ihre Herkunft aus dem Russland des beginnenden 20. Jahrhunderts aufgelöst in zeitlose Existenz. Aber der Osten, vor allem der deutsche Osten ist unterschwellig sehr präsent, man fühlt sich an spätes DDR-Theater erinnert. Der Regisseur lässt sich Zeit, um seine Geschichte, um die Geschichten dieses Häufchens von Verlierern zu erzählen. Die Schauspieler sprechen langsam, die meisten Figuren haben den Kampf aufgegeben gegen die allgemeine Stagnation, die von all denen Besitz ergreift, die hier sinnlos herumlungern zwischen Gleichgültigkeit und Gleichmut und ihr weniges erschnorrtes Geld vertrinken. Energie haben nur die Reichen, wie der Besitzer des Nachtasyls, Kostiljew, oder die, die noch Hoffnung haben, die noch etwas wollen im Leben, wie Kleschtsch (Julian Mehne), der in vergeblichen Wutanfällen noch aufbegehrt gegen die Realität.

Alexander Lang hat jeder Figur einen Grund-Gestus verpasst, und sie damit in gewisser Weise reduziert auf einen Typen: der Baron (Michael Wenninger) trägt die Nase in der Luft, Kostiljew fegt wie ein fröhlicher Wirbelwind durch die Reihen der von ihm Abhängigen, der Schauspieler (Michael Gitter) muss eitel herumzappeln und Luka (Margarita Broich) grinst wie ein Honigkuchenpferd. Diese Idee geht bei einigen Figuren hervorragend auf, etwa bei Kostilijew (den Ulrich Anschütz in blendender Form als Witzfigur präsentiert) und bei der todkranken Anna (Anya Fischer), die umso mehr lächelt, je mehr man sie quält und je mehr sie leidet. Bei anderen Figuren greift das Konzept weniger gut und wird dann zu sehr Masche, doch glücklicherweise hat sich Lang nicht allein auf diese Anfangs-Idee verlassen: Neben den spaßigen Manierismen bleibt bei den meisten Charakteren noch genügend Platz für mehr, und der Regisseur zeigt, dass er seine Figuren durchaus ernst nimmt. In vielen bewegenden, gleichwohl nie kitschigen Szenen werden Leid und Verzweiflung, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit groß dargestellt. So wird etwa die Beziehung zwischen Wassili (Felix Rech) und den Karpowna-Schwestern (Rosa Enskat als Natascha, Ruth Reinecke als Wasilissa) präzise ausgespielt, wobei die ernste Thematik immer wieder subtil durch kleine Veränderungen etwa im Sprachgestus aufgebrochen wird, ohne die Figuren oder das Problem insgesamt ins Lächerliche zu ziehen.

Alexander Lang und das hervorragende Ensemble mit seinem sorgfältigen, hochkonzentrierten Spiel legen einen Abend von extremer Dichte vor, der in seiner Langsamkeit verbunden mit der langen Spieldauer jedoch vom Publikum einen hohen Grad an Konzentrationsfähigkeit verlangt.

Nora Mansmann

Link:
Maxim Gorki Theater Berlin

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