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Panic Room

Hat man als Regisseur einmal den Status eines David Fincher erreicht, wird jeder neue Film von der Kritik nicht nur haarklein analysiert und evaluiert, sondern auch stets an Hand der Messlatte des vorangegangenen Werkes bewertet.

Mutter und Tochter geraten – in Panik.
So mag es kommen, dass Filme, für die andere, vor allem unbekanntere Regisseure frenetisch gefeiert würden, im Schatten einer zuvor erbrachten Regieleistung nicht genug eigene Leuchtkraft entwickeln und daher allgemein eher auf Ungnade stoßen. David Fincher musste sich nach seinem bahnbrechenden Thriller »Se7en« bereits einiges an Kritik für seinen – formal großartigen, aber den Vergleich mit dem Vorgänger nicht standhaltenden – Nachfolger »The Game« gefallen lassen. Mit seinem jüngsten Werk »Panic Room« könnte ihm ähnliches bevorstehen: Begibt sich Fincher doch nach dem apokalyptischen Weltuntergangsszenario von »Fight Club« auf das Parkett des sehr viel stärker auf Publikumskompatibilität orientierten Mainstream-Thrillers. Er könnte damit all jene enttäuschen, die von ihm wieder einen so radikalen Verstoß gegen die Konventionen des Massengeschmacks wie in dem psychotischen Prügel-Alptraum mit Edward Norton und Brad Pitt erwarteten.

Nichtsdestoweniger bleibt David Fincher bei seinem neuen Werk vor allem visuell eine Klasse für sich. »Panic Room« ist ein Film mit einem Konzept, welches bis zum Ende akribisch durchgehalten wird. Es ist das Konzept des Kammerspiels, welches Regisseur Fincher und Kameramann Conrad Hall punktgenau durchexerzieren: Die gesamte Handlung wird zwischen Prolog und Epilog schicksalhaft unausweichlich auf die drei Stockwerke einer feudalen Reihenhauswohnung im Herzen Manhattens konzentriert, in deren Mauern die Kamera zu Beginn eintaucht und die sie bis kurz vor dem Abspann nicht mehr verlässt.

Wie gut, daß man alles überwachen kann...
Diese Wohnung haben sich die gutsituierte Millionärs-Geschiedene Meg Altman – Jodie Foster in ihrer ersten Rolle seit »Anna and the king« – und ihre Tochter Sarah – dargestellt von einer beeindruckend konzentrierten elfjährigen Kirsten Stewart in ihrer zweiten Filmrolle – als neues Domizil auserkoren. Im Inneren der Wohnung befindet sich der »Panic Room«, ein internes Rückzugsgebiet für Notsituationen wie Einbrüche und Überfälle: Ausgestattet mit Überwachungssystemen für die gesamte Wohnung, eigener Energie- und Luftversorgung, Lebensmittelvorräten, Alarmanlage und Kommunikationssystemen nach draußen ist der »Panic Room« ein gepanzertes Verteidigungsareal im eigenen Haus, geschützt durch massiven Beton und zentimeterdicken Stahl, welches sich bei Bedarf hermetisch nach außen abschotten und ausschließlich von innen öffnen lässt. Eine Funktion, in der sich Einrichtung viel schneller bewähren muß, als den Neubewohnern lieb sein kann: Bereits in der ersten Nacht dringen drei Gangster auf der Suche nach Reichtümern in die Wohnung ein. Mutter und Tochter können sich in letzter Sekunde in den Panic Room retten, doch die Hoffnung, die Eindringlinge würden schon bald wieder abziehen, erweist sich als trügerisch: Denn das, was die drei Gangster suchen, befindet sich in eben jener Stahlkammer, in der sich Meg und Sarah verschanzt haben.

Es ist tatsächlich ungewöhnlich, wie sehr Fincher narrativ hier auf gängige bis klischeehafte Erzählstrukturen zurückgreift: Beispielhaft bedienen die drei Gangster das klassische Muster der antagonistischen Dreifaltigkeit: The good, the bad and the ugly. Forest Whitaker gibt den hochintelligenten, überlegt agierenden, aber ambivalenten angelegten, von deutlichen Gewissensattacken geplagten und natürlich schwarzen Gelegenheitsdieb, Jared Leto das impulsive, überhebliche, jähzornige und vor Rotz und Straßen-Jargon nur so triefende Ghetto-Kid und Dwight Yoakam den eiskalten und sadistischen Gewalttäter. Vor allem letztere beide sind in ihrer Charakterisierung nicht weit vom Level einer Comicfigur entfernt.

Sadistisch und eiskalt: Dwight Yoakam.
Unverkennbare inhaltliche Parallelen zeigt die Grundkonstellation von »Panic Room« – wenngleich handwerklich auch völlig anders umgesetzt – zu John McTiernans »Die Hard« von 1988: Auch dort glaubte sich eine Gruppe von Gangstern mit einem scheinbar narrensicheren Husarenstück – damals eine Geiselnahme – auf einem baulich eng abgegrenzten Territorium im Besitz einer schnellen Beute, um dann am unplanmäßigen Widerstand eines Einzelnen, des Polizisten John McClane, zu scheitern. Nachdem der zunächst geplante Handstreich misslungen ist, verlegen sich die Eindringlinge auch hier auf eine massive Belagerungsstrategie, um die ebenso unliebsame wie unerwartete Gegenwehr – damals Bruce Willis, heute Jodie Foster – zu brechen. Wieder gibt es verzweifelte Versuche der Eingeschlossenen, sich mit der Außenwelt zu verständigen (was von den Belagerern meist in letzter Sekunde verhindert wird oder an der Ignoranz der Außenwelt scheitert), wieder setzen die Invasoren diverse Strategien und Techniken ein, um den Widerstand der Belagerten zu zermürben, was von den Insassen des Panic Rooms mit ebenso raffinierten Gegenattacken gekontert wird.

Schon bald sind die Einbrecher selbst Eingeschlossene, für die es kein Zurück gibt, denn sie beantworten die Aussperrung aus dem Panic Room mit einem massiven Verbauen aller Fluchtmöglichkeiten aus der Wohnung – ein beinahe ausgeglichenes, aber wahrlich nicht statisches Patt zwischen beiden Parteien, welches zusätzliche Explosivkraft dadurch erhält, dass zum einen in der klaustrophobischen Enge der Situation die Einigkeit der drei Belagerer am Streit über die Vorgehensweise zerbricht, zum anderen sich die gesundheitliche Situation von Tochter Sarah dramatisch zuspitzt, da das Diabetes-kranke Mädchen dringend eine Insulininjektion benötigt.

Forest Whitaker und Dwight Yoakam.
Deutlich spielt der Film auf die bekannten klaustrophobischen Gesellschaften an, auf Goldings »Herr der Fliegen« oder Sartres »Geschlossener Gesellschaft«, Motive, wie wir sie zuletzt unter anderem in Nick Hamms »The Hole« oder Vincenzo Natalis »Cube« sahen. Aus »Cube« entlieh sich Drehbuchautor David Koepp auch gleich ein weiteres Element parabelhafter Lehrhaftigkeit: Wie in Vincenzo Natalis Würfelgefängnis war hier einer der Eingeschlossenen, der Gangster Burnham (Whitaker), an der Konstruktion und am Bau des Panic Rooms beteiligt, ist somit mitverantwortlich für die Unbezwingbarkeit dieser Festung und damit die Ausweglosigkeit der Situation. Das alles überwachende Kamera- und Monitorsystem mag optisch an Phillip Noyce' »Sliver« erinnern, erfüllt hier jedoch keinerlei voyeuristische Aufgabe, sondern ist eines von mehreren entscheidenden Instrumenten, die sowohl der Kommunikation als auch der gegenseitigen Täuschung und Übervorteilung im Krieg von Hausbewohnern gegen Einbrechern dienen.

Was David Finchers erzählerisch also wirklich nicht sonderlich außergewöhnlichen Thriller dennoch weit über das Niveau genre-üblicher Mainstreamware hinaushebt, ist vor allem die faszinierende visuelle Umsetzung. Conrad W. Hall, der »Se7en«-Kamermann Darius Khondji während der Dreharbeiten ablöste, gelangen einige optisch grandiose und technisch brillante Kamerafahrten, die unter anderem mehrere Stockwerke des Handlungsschauplatzes ohne abzusetzen durchqueren, Wände, Türen und Böden durchdringen, vor Ventilatoren, Kabelschächten und Schlüssellöchern nicht halt machen und sogar in einem Fall durch einen Schlauch strömende Gasmoleküle verfolgen. Zusätzliche visuelle Licks wie Atem-abschnürende Verfolgungsszenen in Zeitlupe oder Kamerazooms bis auf die Mikrostruktur von Betonmauern, um deren Vibration und damit Vulnerabilität sichtbar zu machen, sind in der Lage, die Spannungsschraube stellenweise einem Alfred Hitchcock zur Ehre gereichend anzuziehen, und das in einem Film, dessen reine Story sich genauso gut in einer beliebigen zweit- bis drittklassigen Direct-to-Video-Produktion finden lassen könnte.

Johannes Pietsch

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