Solaris
Nach seinem sensationellen kommerziellen Top-Comeback mit einem lupenreinen
Blockbuster-Dreierpack („Erin Brockovich“, „Traffic“, „Ocean’s Eleven“) scheint
Hollywoods Verständis für den als intellektuelles Wunderkind gebrandmarkten
Steven Soderbergh zunächst am Ende zu sein. Trotz Darling Julia Roberts floppte
sein Film-Experiment „Full Frontal“ derb, und nun landet der Oscarpreisträger
inklusive Busenkumpel George Clooney mit dem langatmig, pseudo-intellektuell
verquasten Science-Fiction-Drama „Solaris“ erneut auf dem Bauch. Der Film ging
an der US-Kinokasse heftigst baden, weil Soderbergh es trotz technischer
Perfektion nicht schafft, sein Publikum zu fesseln.
Mysteriöse Vorkommnisse auf dem Planeten Solaris rufen den Psychologen Dr.
Chris Kelvin (George Clooney) auf den Plan. Als er in der im Orbit kreisenden
Raumstation ankommt, herrscht Konfusion. Sein Freund Gibarian (Ulrich Tukur),
der ihn um Hilfe bat, hat sich umgebracht, ein weiteres Besatzungsmitglied liegt
im Leichensack, und die beiden verbliebenen Crewmitglieder (Jeremy Davies, Viola
Davis) stehen geistig völlig neben sich, leiden unter Wahnvorstellungen. Kelvin
will dem Phänomen auf die Spur kommen, verfällt ihm aber selbst innhalb kürzester
Zeit. Erst träumt er von seiner verstorbenen Frau Rheya (Natascha McElhone), die
wenig später zur scheinbaren Realität wird und in der Raumstation auftaucht. Es
wird klar, dass sie nicht real, sondern lediglich eine Reproduktion ist, die von
dem Bewusstsein des Planeten Solaris erschaffen wurde. Mehr noch als seine beiden
Leidensgenossen verfällt Kelvin dem Wahn zwischen Wahrheit und Traum.
Manchmal wiederholt sich Geschichte doch. Ende der 80er Jahre wurde Soderbergh
nach seinem furiosen „Sex, Lügen & Video“ bereits als das Wunderkind schlechthin
gefeiert. Da sich der Amerikaner aber den Konventionen des modernen
Entertainmentkinos nicht beugen wollte, driftete er in seine eigene Welt ab und
scheiterte mit grandios misslungenen Filmen wie „Kafka“. Nach seiner Rückmeldung
„Out Of Sight“ und dem anschließenden Supercomeback inklusive Oscarsegnung war
Soderbergh ein Jahr lang der heißeste Regisseur Hollywoods. Nach dem Missverständnis
„Full Frontal“ ist er jetzt mit „Solaris“ endgültig wieder auf dem Boden der
Tatsachen gelandet. Basierend auf dem gleichnamigen Kultroman von Stanislaw Lem,
der bereits 1972 schon einmal von Andrei Tarkowski verfilmt wurde, ließ sich
Soderbergh auf ein gefährliches Spiel ein. Schafft es der Regisseur, Autor und
Kameramann (bei „Solaris“ wieder unter dem Pseudonym Peter Andrews) tatsächlich,
ein breites Publikum - das der 47-Millionen-Dollar-Film benötigt - für sein
meditatives Weltraum-Liebesdrama zu begeistern?
Die Produktionswerte von „Solaris“ sind - wie von Soderbergh gewohnt - absolut
perfekt. An Ausstattung, Kameraarbeit und Design gibt es überhaupt nichts zu
mäkeln. Das Problem ist nur, dass er bei aller äußerlichen Brillanz, inhaltlich
nicht viel zu bieten hat. Obwohl 99 Minuten keineswegs eine lange Spielzeit sind,
schleppt sich der dialoglastige Trip zwischen Realität und Fiktion langamtig,
schwerfällig, ohne Höhepunkte von Szene zu Szene. Die Liebesgeschichte zwischen
George Clooney („Out Of Sight“, „Ocean’s Eleven“) und Natascha McElhone („Ronin“,
„The Truman Show“) bleibt oberflächlich, obwohl sie gern tiefgründig sein
möchte. Schlimmer noch, sie berührt nicht, erzeugt nur Kälte. Clooney ist zwar
sichtlich bemüht, ein paar andere Facetten zu zeigen, als unverschämt gut
auszusehen und cool zu sein, aber letztlich geht er mitsamt der Geschichte in der
Versenkung unter. Natascha McElhone muss ebenfalls unter ihren Möglichkeiten
bleiben und kann höchstens mit ihrer markanten Erscheinung punkten.
Warum Soderbergh sich überhaupt für die Sci-Fi-Love-Story interessierte, ist
unklar. Denn ob der Film nun im Weltraum spielt oder auf der Erde, ist völlig
egal. Das All ist nur Staffage, eine Kulisse aus der keine großen Ideen geschöpft
werden. Sicherlich sind die Bildcollagen, die Soderbergh dem Betrachterauge
bietet, wunderschön, aber zur Entwicklung der Handlung tragen sie rein gar
nichts bei. Der Score von Cliff Martinez unterstützt die opulenten Bilder
adäquat, aber was nützt das alles, wenn „Solaris“ inhaltlich nur Leere zu bieten
hat. Das Wechselspiel von Gegenwart, Traum und Rückblenden über die Fragen des
Menschseins, über zweite Chancen, über Liebe und Leidenschaft fesselt einfach
nicht, bietet kaum Identifikationsmöglichkeiten. Deshalb stirbt Soderberghs
„Solaris“ letztendlich in Schönheit. Außen hui, innen pfui... Wie fragt Clooney
noch? „Am I alive or dead?“ - „We don’t have to think like that anymore“, antwortet
ihm McElhone. Und das Publikum stimmt zu. Völlig egal, weil es niemanden wirklich
interessiert.
Carsten Baumgardt
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