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Spurwechsel

Wer Wind sät, wird Sturm ernten, aber was für einen! Das könnte die Moral des Films "Spurwechsel" sein. Ein Film, der trotz seiner Spannung und seiner gelegentlichen wütenden Action-Sequenzen eigentlich eine Schicht tiefer ansetzt und eine unscheinbare Seite hat, die immer wieder leise, aber eindringlich angespielt wird. Ein Film über die Macht des Zufalls und über die - eigentlich uns allen als Bewohner des abendländischen Kulturkreises bekannt vorkommenden - Werte wie Zurückhaltung, Verantwortung, Hilfe. Trotz all dieser "predigenden" Elementen aber eine Hollywood-Produktion. Wie kann das gehen?

Ben Affleck
Foto: UIP
Es kann wunderbar gehen, insbesondere mit zwei starken Akteuren, die sich zwei Stunden lang ein vorzügliches Duell liefern, das dann doch - happy end muss sein - in ein versöhnliches Denouement mündet: Samuel L. Jackson ("Pulp Fiction"), über dessen schauspielerische Qualitäten man nicht im Ernst diskutieren muss, und Jungstar und J-Lo-Lover Ben Affleck ("Pearl Harbor"), der ebenfalls eine würdige Performance abliefert. An diesen Beiden hängt der ganze Film, und sie machen ihre Sache ganz ansehnlich.

Wie es der Zufall will, kreuzen sich für -zuerst nur - 5 Minuten die Schicksale zweier völlig unterschiedlicher Menschen: Ein älterer farbiger Ex-Alkoholiker, geschiedener Ehemann und zweifelhafter Vater, der bemüht ist, sein Leben wieder halbwegs zu richten (Jackson) und ein junger weißer Wall-Street-Anwalt, der Millionen-Geschäfte betreut und an diesem Tag mal eben von seinem Chef eine Yacht geschenkt bekommt (Affleck). Zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der sie zusammenbringende Zufall ist ein Autounfall. Der Anwalt, der den Unfall verursacht hat, begnügt sich mit einer flapsigen Entschuldigung, wundert sich, dass der andere keinen Blanko-Scheck von ihm für die Reparatur annehmen will und fährt schließlich hastig weg, weil er zu einem dringenden Gerichtstermin muss. Aus dem Fenster schreit er noch hinaus: "Viel Glück das nächste Mal." Bei Gericht muss er feststellen, dass er am Unfallort ein für seinen Prozess überlebenswichtiges Dokument liegengelassen hat. Dieses ist jetzt in den Händen seines Unfallgegners. Und der wird einen Teufel tun und das Papier dem ihm verhassten weißen arroganten Anwalt wiedergeben. Vor allem hat er aufgrund des Unfalls selbst einen Gerichtstermin versäumt, in dem über sein Sorge- und Besuchsrecht bei seinen beiden Söhnen verhandelt worden ist. Das stimmt ihn naturgemäß nicht versöhnlicher.

Samuel L. Jackson
Foto: UIP
Was nun folgt, ist ein Beispiel dafür, wieviel Tier in einem Menschen noch sitzt und und in welche Tiefen scheinbar zivilisierte Menschen sinken können, wenn sie vom Rachegefühl getrieben werden. Es folgen - ohne zuviel verraten zu wollen - einige Verwüstungen und Racheakte, und am Ende fragt man sich mit den beiden Protagonisten (aufgrund dieser und anderer eingeflochtenen Mühsale, durch die sie gehen müssen), ob die Welt noch gut oder bereits "böse" ist, ob man die Werte, auf denen unsere Zivilisation beruht, noch in heutiger Zeit für sich anerkennt. Man denkt mit Jackson und Affleck laut über ein so altmodisches Wort wie Anstand nach. Und das geschieht im Übrigen in höchst unterhaltsamer Weise und ganz ohne einen moralischen Zeigefinger (na ja, vielleicht ein ganz kleines bisschen). Dass man diese Synthese vollbringt, ist beachtlich. Ein Film also für alle, die beschwingt und nicht eindringlich einen kleinen Spiegel vorgehalten haben möchten und sich - nicht wirklich lange, aber immerhin - ein paar Gedanken machen wollen. Intelligenter Kino-Spaß.

Alexander Archangelskij

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