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Wird jetzt das Stadtschloss gebaut?Der Deutsche Bundestag spricht sich mit breiter Mehrheit für den Wiederaufbau der Berliner Stadtschlossfassade aus. In seiner vorletzten regulären Sitzungswoche traf eine ungewöhnliche Koalition im Bundestag eine erstaunliche Entscheidung: Eine große Mehrheit von Parlamentariern aus fast allen Fraktionen – Ausnahme war die anscheinend geschichtsvergessene PDS – wollte den Wiederaufbau des barocken Schlosses in der historischen Mitte Berlins und damit keinen modernen Architekturentwurf. Zugleich soll der Palast der Republik abgerissen werden, die Sprengung des Schlosses durch Walter Ulbrichts Genossen 1950/51 revidiert. Eine wegweisende Weichenstellung.
Dass die Abgeordneten für die Annahme der Nutzungsvorschläge, die eine Kommission
unter der Leitung des österreichischen Europaparlamentariers Hannes
Swoboda in mühsamer Kleinstarbeit für den Schlossplatz erarbeitet hatte, stimmen
würde, zeichnete sich schon vorher ab. Dass aber danach auch der
fraktionsübergreifende Antrag, die Fassade und die Kubatur des alten Schlosses
wiederentstehen zu lassen, angenommen wurde, überraschte dann doch ein wenig.
Offenbar zahlte sich die beharrliche Lobbyarbeit des Hamburger Unternehmers
Wilhelm von Boddien und anderer Bürgerinitiativen, wie z.B. der Gesellschaft Historisches
Berlin, aus.
Bereits 1993 zeigte er Berlinern und Touristen, welche räumliche Dimension ein solcher Bau einnähme, indem er die Asbestruine des Palasts der Republik und den restlichen Schlossplatz mittels Gerüsten und vorgehängten bemalten Planen in das Stadtschloß verwandelte. Eine beeindruckende Illusion entstand, wobei alle Kritiker anmerkten, ein neu zu errichtendes Gebäude, mit welcher Fassade auch immer, müsse zumindest die alten städtischen Grundrisse und Relationen berücksichtigen.
Nun wird also die Schlütersche Fassade dem neuen Gebäude vorgeblendet. Über
die Gestaltung und die Nutzung des Inneren ist noch nicht entschieden. Museen,
Universitätsbibliotheken, ein Hotel und ein Festsaal sind vorgeschlagen, die
Integration des Sitzungssaals der DDR-Volkskammer ist im Gespräch.
Überhaupt äußerte sich mancher zum Umgang mit der realsozialistischen
Hinterlassenschaft skeptisch: Die DDR-Geschichte werde entsorgt, wenn der Palast
abgerissen werde. Abgesehen von der nachträglichen Verklärung des Baus als
"Begegnungsstätte" kann die Asbestruine des Palasts wohl kaum einer gesamtdeutschen
Nutzung dienen.
Stattdessen kann sich die Schlossfassade samt Neubau, deren Finanzierung jedoch weitgehend ungeklärt bleibt, zu einem neuen Mittelpunkt für das wiedervereinte Deutschland entwickeln. Angesichts der immer noch evidenten Mentalitätsunterschiede zwischen Ost und West eine wünschenswerte Perspektive. Somit eine rückwärts gewandte Entscheidung des Bundestages, die allerdings für die Zukunft Berlins und des Landes nur gut sein kann. Stefan Ewert Links: |
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