brainstorms! dein onlinemagazin.
 bilder     magazin     b!fragt     interaktiv     mail 

 magazin »     unterhaltung  kino+kultur  musik  politik  sport  auto  berliner platz 
   

Das Zimmer meines Sohnes

"Das Zimmer meines Sohnes" wurde 2001 in Cannes zurecht als bester Film des Festivals gekürt.

Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Gerade noch erfreut sich Psychiater Giovanni eines harmonischen Familienlebens mit Frau und zwei Kindern und kurz darauf ist das Leben, wie er es kannte, vorbei. Sohn Andrea ist tot – verunglückt bei einem Tauchgang. Die Familie ist am Boden zerstört, und nun muss jeder versuchen, auf seine Art mit dem unaussprechlichen fertig zu werden. Besonders Giovanni wird von Schuldgefühlen geplagt, hat er doch just an jenem Tag seinen Sohn versetzt und ist zu einem seiner Patienten gefahren...

Wie können Eltern mit dem wohl grausamsten Spiel der Natur, ihr eigenes Kind zu überleben, fertig werden? Alles wird für immer anders sein und man wird ein Leben lang an diesen Verlust erinnert. Nanni Moretti bannte diesen Alptraum überzeugend und schmerzhaft auf die Leinwand und kommt dabei ohne jeglichen Kitsch und ohne gängige Klischees aus. Der Verlust des eigenen Kindes ist schon schwer genug zu verkraften, und dabei bedarf es keiner zusätzlichen, filmtypischen Effekthascherei, um den Zuschauern die Tränen in die Augen zu treiben.

Statt die Familie einer Gruppentherapie zu unterziehen, lässt Regisseur und Hauptdarsteller Nanni Moretti jeden für sich alleine mit der bitteren Wahrheit fertig werden. Während der Familienvater sich mit Selbstkritik herumschlagen muss (hat er wirklich an jenem Tag unbedingt einen Hausbesuch machen müssen?), bezweifelt er außerdem, dass er mit diesem schweren psychischen Knacks wohl kaum noch anderen Leuten bei ihren Problemen wird helfen können. Die Mutter versinkt vollends in Trauer und die Tochter lebt ihre Trauer in unkontrollierten Wutausbrüchen aus. Erst eine bislang unbekannte Freundin von Andrea gibt wieder Hoffnung und man möchte durch sie mehr von ihrem Sohn erfahren, denn der verschlossene Bub war seiner Familie gegenüber nicht gerade gesprächig.

So traurig die Thematik auch ist, so lässt uns Nanni Moretti nicht vollends im Tränenmeer versinken, sondern lockt uns auch des öfteren ein Lächeln ins Gesicht. Lange Zeit ist die Welt der Familie in Ordnung und man kann Giovanni bei seiner Arbeit als Psychiater beobachten, was zu einigen amüsanten Situationen führt. Aber natürlich verblassen die meisten der eingebauten Pointen, wenn der Plot so circa ab der Mitte des Films umschlägt. Der Tod bleibt in diesem Film unsichtbar, der Unfall wird nicht gezeigt. Viel mehr unter die Haut gehen da schon die Szenen bei der Bestattung, wenn die gesamte Familie rund um den Sarg steht und Giovanni bis zum bitteren Ende – der Schließung des Sarges – fassungslos davor verharrt.

Moretti verzichtet bei den traurigsten Szenen des Films auf den Einsatz von Filmmusik, was die Dramatik des Gesehenen noch um ein vielfaches erhöht. Ich will nicht behaupten, dass ich bei traurigen Szenen die Musik nicht als gelungenen Katalysator für Tränen schätze, aber hier geht man haargenau den richtigen Weg. Ich glaube doch, dass sich jeder zu hundert Prozent in die Lage der Familie versetzen kann und all jene, welche solch schwere Zeiten des unsäglichen Verlusts schon mitgemacht haben, wünsche ich, dass sie es genau so wie Familie Sermonti schaffen, das Leben wieder lebenswert zu finden.

Fazit: "Das Zimmer meines Sohnes" ist ein aufwühlendes, sehr realitätsnahes Drama um die wohl unnatürlichste Sache der Welt.

Claus Schlamadinger

Links:
Offizielle Site

frisch und neu
kino
musik
sport
politik
kultur
unterhaltung
bits+bytes
nach oben