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Urbane Sex-Mythen

Es scheint wirklich an der Zeit zu sein, in loser Folge einige urbane Mythen rund um das oft komplizierte menschliche Paarungsritual zu entzaubern. Besonders deutlich wurde das in den letzten Tagen, als diverse Medien nicht häufig genug berichten konnten, die Geburtenrate werde anlässlich des jetzt schon legendären Stromausfalls jenseits des Atlantiks signifikant steigen.

Ja, auch diese hübsche Anekdote über unser Triebgebaren gehört ins Reich der Märchen. Nicht nur, dass mir bislang niemand die entsprechende wissenschaftliche Studie vorlegen konnte, von der zwar alle über 14 etwas gehört haben, die aber noch kein Berichterstatter in der Hand gehalten hat. Wesentlich schwerer wiegt, dass es so überhaupt gar nicht einleuchten will, warum Menschen bei einem Stromausfall sofort hormongebeutelt übereinander herfallen sollen.

Noch fließt der Strom, doch was passiert...
Foto: sxc.hu
Wir haben schließlich alle die Bilder gesehen von den zahllosen Einwohnern New Yorks, die zum Ende ihres Arbeitstages vom großen Blackout überrascht wurden und in U-Bahnen oder auf der Straße fern der heimatlichen Federkernmatratze festsaßen. Auch in promiskuitiven Zeiten wie unseren darf man wohl getrost davon ausgehen, dass die Menschen zunächst mal andere Sorgen hatten als die baldige Begattung des nächstbesten Unbekannten entlang des Weges.

Sollte er es dann entgegen aller Widerstände geschafft haben, sich kilometerweit durch sommerheiße Hochhausschluchten ins traute Heim zu schleppen, wird der moderne Mensch, welcher nicht eben als einer der lauffreudigsten Primaten bekannt ist, im Zweifel viel zu erledigt für weitere schweißtreibende Aktivitäten sein und obendrein auch immer noch andere Sorgen haben. Die Steaks im Eisfach tauen auf, die Klimaanlage funktioniert ebenso wenig wie der Fahrstuhl oder der elektrische Lümmelsessel vor dem schweigsamen Fernseher.
...wenn man plötzlich im Dunklen steht?
Foto: sxc.hu
Aber wenn man nun davon ausgeht, daß der eben erwähnte Mensch nicht zu den vielen Singles seiner Metropole zählt und zum spontanen Geschlechtsakt auf den eigenen Partner statt den geliehenen des Nachbarn zurückgreifen kann. Und er sich außerdem nicht bereits in einer Beziehung befindet, in der gewohnheitsmäßig nur mittwochs gegen 18:30 Uhr miteinander verkehrt wird, selbst dann wird immer noch nicht klar, warum er geradezu zwanghaft bei Stromausfällen oder ähnlichen Katastrophen des Alltags seinen Trieb wiederentdecken sollte.

Ist es die plötzliche Dunkelheit? Haben Menschen doch viel lieber im Dunkeln Sex und sind meist nur zu feige sich das einzugestehen, um nicht als prüde zu gelten? Aber warum sollten sie dann dabei gleich zuhauf Nachwuchs zeugen? Sind die meisten in absoluter Dunkelheit nicht mehr in der Lage ihre Verhütungsmittel zu finden? Bin ich die Einzige, die hoffnungsfroh einen Jahresbedarf an Kondomen neben dem Bett beherbergt und auch mit verbundenen Augen eines finden würde?

Noch viel weniger einleuchtend finde ich die Unterstellung, Menschen würden sich ohne die gewohnte Berieselung durch moderne Medien derart langweilen, dass ihnen außer Sex einfach nichts mehr einfällt. "Schatz, laß uns Sex haben." – "Nein, so sehr langweile ich mich nun doch noch nicht. Die Fotos von Omas 80. Geburtstag kann ich auch bei Kerzenlicht einkleben." Ich fürchte, gelangweilt hat sich nur der Journalist, der diese Geschichte zuerst in die Welt gesetzt hat, weil er ohne Strom nicht arbeiten konnte und sich in dieser Situation wünschte, mit seiner neuen Freundin zuhause wieder in dem zerrauften Bett zu liegen, aus dem er sich morgens nur sehr widerwillig erhoben hatte.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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