brainstorms! dein onlinemagazin.
 bilder     magazin     b!fragt     interaktiv     mail 

 magazin »     unterhaltung  kino+kultur  musik  politik  sport  auto  berliner platz 
   

Dinner For Many

Man kann sich noch so viel Mühe geben - es ist nahezu unmöglich, der Partyneurose seiner Zeitgenossen zum Jahreswechsel zu entkommen. Am besten unterlässt man es gleich ganz, Alternativpläne zu entwerfen und fügt sich seinem Schicksal. Es wird ja doch Konfetti regnen.

Silvester - ein dunkler Tag am Ende des Jahres, an dem in den Straßen eine Art Kriegszustand herrscht. Obwohl es am Himmel meist nett aussieht.
Foto: sxc.hu
Der größte Vorteil dieses dunklen, nasskalten ersten Monats im Jahr ist es, dass man sich beruhigt in der Gewissheit zurücklehnen kann, noch mindestens zehn weitere Monate vor sich zu haben, bevor man erneut nach seinen Plänen für Silvester gefragt wird. Man kann feiern, wann einem der Sinn danach steht und nicht dann, wenn der Rest der Welt glaubt verrückt spielen zu müssen.

Nicht einmal Weihnachten oder runde Geburtstage sind mit so viel sozialem Druck verbunden wie Silvester. Ein Tag wohlgemerkt, der irgendwann in grauer Vorzeit relativ willkürlich von Cäsar als Datum des Jahreswechsels eingeführt wurde, was dann viele Jahrhunderte später von Papst Gregor XIII. endgültig in römischen Marmor gemeißelt wurde, nachdem er geringfügige Datumskorrekturen vorgenommen und 12 Tage im Oktober unter den Tisch der Geschichte hatte fallen lassen.

Seither muss also an diesem Tag gefeiert werden - ob man will oder nicht. Besonders üble Auswüchse nimmt das in den Kreisen großstädtischer Hipness- Apologeten an. Hier scheint sich der soziale Status für das kommende Jahr vorrangig danach zu bemessen, wie glamourös man ins Jahr gestartet ist. Und selbst weniger trendsettende Zeitgenossen beginnen häufig bereits im Oktober anzufragen, ob man sich denn schon Gedanken über Silvester gemacht habe.

Dabei ist so ziemlich das letzte, worüber man sich in den goldenen Oktobertagen Gedanken machen möchte, ein dunkler, kalter Tag am Ende des Jahres, an dem man dank der Weihnachtsschlemmereien zwei Kilo mehr wiegt als üblich und an dem in den Straßen eine Art Kriegszustand herrscht. Aber es ist vermutlich leichter, eigenhändig eine Würgeschlange zu bezwingen als dem Jahresendhype zu entkommen.

Manchmal ist es besser, sich in sein Schicksal zu ergeben.
Foto: sxc.hu
Und ich habe es wirklich versucht. Ich habe eine schwere Krankheit vorgetäuscht, was nur dazu führte, dass Horden an Feierwütigen in mein Zimmer einfielen und Punkt Mitternacht um mich herum Tischfeuerwerk zündeten, was zuletzt irgendwann in den 70ern witzig gewesen sein muss. Während Luftschlangen und Scherzartikel in Genitalform auf mich herabregneten, grübelte ich verzweifelt, warum das mit dem Siechtum so eine verdammt langwierige Angelegenheit sein musste.

Einige Jahre später probierte ich dann den sexuellen Ausweg. Ich wollte erneut die kollektive Partyzwangsbeglückung umgehen und das Jahr zur Abwechslung mal mit wirklich freudiger Erregung begrüßen. Also fuhr ich mit meiner damaligen Affäre, auch bekannt als der Fehlgriff meines Lebens, der zwar in der Horizontalen erstaunliches Geschick bewies, ansonsten aber zu rein gar nichts zu gebrauchen war, und mehreren befreundeten Paaren in ein kleines Ferienhaus an der dänischen Küste.

Am Silvestermorgen packte die übrigen Paare dann aber doch das Jahresendfieber und sie besorgten in letzter Minute alle Zutaten für eine Party im kleinen Kreis. Sobald wir uns dann zurückzogen, um unser ganz privates rauschendes Fest zu feiern, klopfte es an der Tür, kaum dass wir uns unserer Bekleidung entledigt hatten. Ob wir nicht bitte zum Fondue, wahlweise Bleigießen oder sonstigen Partyscherzen erscheinen könnten.

Sex hatten wir auch, aber erst morgens gegen fünf und dann auch nur bis zu dem Zeitpunkt, als einer der anderen Gäste sturztrunken durch unsere Zimmertür taumelte, auf den Fußboden fiel und dort schnarchend liegenblieb. Seither habe ich Silvester zu dem Tag des Jahres erkoren, an dem ich mich möglichst klaglos in mein Schicksal füge und gar nicht erst versuche, eigene Vorstellungen von einer gelungenen Nacht zu entwickeln. Umso schöner die Aussicht auf 12 Monate selbstbestimmter Abendgestaltung.

Habt ein spannendes, erfüllendes Jahr 2004!

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

stadtgeflysster
archiv


frisch und neu
kino
musik
sport
politik
kultur
unterhaltung
bits+bytes
top