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Der Mann allein im Wald

Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler und die Blätter fallen, fallen wie von weit... Ihr wisst schon, der Herbst ist da und mit ihm die altbekannte Einsamkeit, denn nicht jeder hält schweigende Wälder für ideale Gefährten so wie unsere großen deutschen Melancholiker. Ganz im Gegenteil, je höher die Laubberge, desto größer die Sehnsucht nach einem warmen Körper an der Seite beim Spaziergang durch die feuchten Wiesen. Dieser Reflex funktioniert sogar beim Anblick der verdreckten Blatthaufen der Großstädte und so manch einer, der im Sommer noch dankbar war für den ungestraften Blick auf knapp bekleidete weibliche Körper, sehnt sich plötzlich nach der Nestwärme eines trauten Heims.

Wenn im Herbst das Laub von den Bäumen fällt...
Foto: sxc.hu
Dieses Syndrom scheint vor allem Männer ab 30 weit über das normale Maß hinaus zu befallen und lässt sich mit fortschreitendem Alter sogar ganzjährig diagnostizieren. Plötzlich verspüren selbst Männer, die früher schon bei den leisesten Anzeichen einer festen Bindung Houdini alle Ehre gemacht hätten, den Wunsch nach einer festen, dauerhaften und vor allem monogamen Beziehung. Und wie üblich hätten sie all das am liebsten jetzt und sofort, gemeinsame Wohnung natürlich inklusive.

Vielleicht sind dafür dieselben Hormone verantwortlich, die auch für das allmähliche Lichten des Haars sorgen und für den zunehmenden Bauchumfang sowie das Erschlaffen der einst prallen Muskulatur. Vielleicht ist es aber auch schlicht die Erkenntnis, dass man nicht ewig viril genug bleibt, um sorglos knackige 20-jährige mit seiner Manneskraft beeindrucken zu können. Da möchten viele sich lieber noch schnell einen festen Platz in einem warmen Heim sichern, bevor auch diese Tür endgültig vor ihrer Nase zufällt.

Das Problem dabei ist allerdings, dass die auserwählten Nestbaupartnerinnen im richtigen Alter plötzlich alle nicht mehr "wollen". Zumindest wollen sie längst nicht mehr so bedingungslos und mit allen Konsequenzen, wie sie sich das mit zarten Zwanzig noch erträumt hatten. Sie, die einst angeblich alle auf den schmalen Goldreif an ihrem Finger und den weißen Ritter gehofft haben, haben sich längst an die luxuriöse Freiheit einer eigenen Wohnung gewöhnt und sind nicht bereit, den Schlüssel dazu ad hoc wieder aus der Hand zu geben.

...sehnt sich so mancher nach Spaziergängen zu zweit.
Foto: sxc.hu
Wie konnte das bloß passieren? Das Timing, meine Herren, ganz schlechtes Timing. Während nämlich ein großer Teil der Frauen auf traute Zweisamkeit und feste Beziehung spekulierte, hatten die meisten Männer im gleichen Alter nur die nächste Kerbe in ihrem Bett im Kopf. Statt sich auf die komplizierten emotionalen Anwandlungen einer einzigen Frau zu konzentrieren, wollte der Mann auf Jagd gehen und das gottgegebene Geschenk seiner beeindruckenden männlichen Pracht besonders vielen dankbaren Exemplaren zugute kommen lassen. Dass auf der Pirsch nach Kräften gelogen und betrogen wurde, verbuchen viele lässig unter dem Begriff Jugendsünden.

Leider haben sich aber die belogenen und betrogenen Frauen diese Jugendsünden wesentlich besser eingeprägt und ihre eigenen Lehren daraus gezogen. Statt ewig auf den wahren weißen Ritter zu warten, haben sie kurzerhand ihre eigene Burg gebaut und sich darin ganz wunderbar ohne Ritter arrangiert. Sie freuen sich über kurzweiligen Besuch interessanter Männer, die gerne auch mal länger als eine Nacht bleiben dürfen, wittern aber sofort Verrat, wenn sie die alten Liebesschwüre hören. Und so manch einer wundert sich da, warum er ganz plötzlich wieder auf der falschen Seite des Burggrabens steht, obwohl er doch gedanklich schon längst fest eingezogen war.

Vielleicht ist es doch ratsam, sich mit den schweigenden Wäldern als Gefährten des Einsamen anzufreunden und sich von dort ganz langsam und unter Umgehung des rutschigen Herbstlaubs wieder an die Burg der Auserwählten heranzuarbeiten. Aber das kann mehrere kalte Herbste dauern.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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